Freitag, 18. Oktober 2013

Land-Art im Kermeter: zum Klage-Wald gegen den Nationalpark Eifel


- Rundweg Tönnishäuschen - Wolfgarten

Jeder neue Nationalpark ist einer zuviel. Jeder zweite vorhandene ebenfalls. Zu den letzteren gehört der NP Eifel. Diesen Standpunkt vertritt ein künstlerisch hyperaktiver Randbewohner des kleinen Dorfes Wolfgarten bei Schleiden. Dessen ständige Ausstellung haben wir eigentlich nur rein zufällig entdeckt. Berichte darüber lassen sich - auch durch noch so intensives Herumguuuuugeln  -  ca. nullkommanull Stück ermitteln. Sprich: wird einfach konsensmäßig totgeschwiegen. Natur ist gut; Gegner sind immer pervers-krank oder Holz-/Jägerlobbyisten.

Wir wollten nur bisserl wandern. Fahren hoch vom beschaulich Verkehrs-durchfluteten Kurort Gemünd in den Kermeter-Wald. Diesmal nicht Kloster Maria-Erbsensuppe sondern einfach kleine Runde am erstbesten Wanderparkplatz. Nach drei Serpentinen wird "Tönnishäuschen" genommen. Wagen läßt sich hier abstellen - ein Namen-gebendes Häuschen war nicht sichtbar. Pech für potentielles Vandaliererpack, welches so gerne einsame Waldkapellchen demoliert.

Trotzdem hätten wir gerne erfahren, welcher Tünnes hier mal gehaust haben könnte; ob er etwa vorsorglich evakuiert wurde, um der frei-gelenkten Entfaltung von Baum, Strauch und Biologen-Werkvertrag nicht im Wege zu stehen...

Für mäßig entschlossene Kurzwanderer jedenfalls ein praktischer Ausgangspunkt. Man nimmt einfach den nächst-breiten Waldweg, der einem sogleich das Ziel "Wolfgarten" anzeigt - und das erstmal in enttäuschend kurzer Entfernung. Doch die Hüter der Wegebeschilderung haben sich einen kleinen Spaß ausgedacht. Alle paar hundert Meter gibt es eine schmale Abzweigung von der Hauptstrecke mit einer Abkürzung zum Ziel, während die Hauptstrecke sich immer weiter in gehörigem Abstand um das verwunschene Dorf verschlängelt. Was sich in jeweils höheren km-Angaben niederschlägt - gleich einer Fata Morgana in der Waldwüste.
Die Trasse indes ist gut ausgebaut und verläuft ohne nennenswerte Steigungen entlang der Hangkante. Weit unten tost die Urft und ein bisschen meschliches Leben. Ganz Verwegene könnten sich auch flott mal ins Tal abseilen, z.B. auf eine Flockensahne vom beliebten Café Doppel-Name in der Fuß-Gängerzone; um dann auf dem Rückweg die eingefahrenen Kalorien wieder sinnvoll zu verwerten. Tun wir aber nicht. So gemächlich durchs schattige Waldesgrün ist doch auch schön. Nur fehlt hier und da mal ein Durchblick in die ferne Landschaft. Darf eben alles wachsen, so hoch und üppig, wie es will. Bloß die alten Fichten nicht. Deren Rest-Exemplare werden alljährlich erfolgreich mit Borkenkäfern bekämpft; oder eben selbigen preisgegeben, was nach Stand der Technik auf das Gleiche herauskommt. Fichten-Friedhöfe begleiten also unseren Gang ...

Nach etwa 4-5 km reicht es dann doch: staunend betreten wir den Zielort. Der hat einige Eingänge und ist ansonsten sorgsam eingehegt. Hirsch und Sau würden es sich andernfalls nicht nehmen lassen, den Hausgärten einen Gute-Nacht- und Guten-Morgen-Besuch abzustatten, der sich gewaschen hat. Denn die einsam gelegene Siedlung ist rundherum vom reizvollen Kermeterwald umgeben. Eine "gated community", die sich ausweislich der propperen Häuser und zahlreichen Neubauten in dieser Lage pudelwohl zu fühlen scheint, und ihre Abwässer vermittels eines aufwendigen Kanals der weit entfernten Kläranlage anempfiehlt. Harrend der Tage, die dereinst wieder dem Ortsnamen seine Berechtigung zurückverleihen werden. Wolf-Garten: der Garten der Wölfe, die um den Zaun streichen werden und eine Lücke suchen, um sich Schneeweißchen, Rosenrot oder sonstwelche Punkermädels vom abendlichen Grillen weg zu holen. Mjam mjam...

Also alles eitel Sonnenschein? - Nicht, wenn wir den Ort wieder durch die Tür Richtung Aussichtsturm verlassen. Das imposante Holzbauwerk bietet einen weiten Blick über Wälder und Höhen - und strategisch von hier oben aus die Möglichkeit, Bewegungen im Ort unter Kontrolle zu halten. Die gruselige Allegorie von Lager, Wachturm und Freizeitspaß: alle haben gesehen - niemand hat gewusst.

Eben dieses nimmt unser Totgeschwiegener auf sein Visier, aber sowas von extrahart. Kurz gesagt: am Weg zum Turm befindet sich die Ausstellung -  ein langes Garten-/Waldareal, bestücktmit entsetzlichen Anklagen hinter Maschendraht-Zäunen. Wer mag, tritt heran, liest Pamphlete, staunt über die Menge an Tierfigürchen, Püppchen, Spielzeug, erbarmungslos drapiert, gehängt und zur Schau gestellt. Doch keiner mag, alle schauen weg, denken vielleicht: Arschloch, das - und eilen zum Ausguck.



Man wird den/die Urheber der Installation als Künstler bezeichnen müssen, auch wenn das alles leicht manische Züge trägt und gar etwas wirr scheint. Doch wo und wann sonst  läßt sich eine mediale Rezeption aus diesem Grunde abwenden? Nirgends! Bereits die (ausbleibende) Reaktion zeigt, dass hier nicht nur Unverständnis erzeugt wird, sondern ein oder mehrere Tabus angeprangert werden, die heute öffentlich sanktioniert sind.

Es bereitet einige Mühe, die Anklagepunkte sortiert zu bekommen. Da ist eine deutliche Zielrichtung gegen die Einrichtung des Nationalparks, der Kinder und Erwachsene ihrer angestammten Waldfreiheiten beraubt und zu Störenfrieden (euphemistisch: "Besucherlenkung") degradiert. Da ist auch die eifelspezifische Rücksichtslosigkeit, mit der das Kleinod der monströsen Nazikaserne Vogelsang als Aushängeschild hergerichtet und per zeitgemäßem Schnickschnack passend gemacht wird. Mit überdimensionalem finanziellen und personellen Aufwand und dem (mehr als) üblichen Lokal- und Landespolitikergemauschele. Wer so leichtfertig mit alten Unrechtszeugnissen umgeht, macht sich vielleicht wirklich einer geistigen Nähe schuldig zu den einstmals Tausenden am Straßenrand, die den Führer bei seiner Visite der Ordensburg mit Heil- und Jubelrufen begrüßten.

Wie dem auch sei - weiteren Inhalt liefert ein weniger lang zurückliegender Kindsmord, der in einiger Nähe (quasi) unter den Augen von Behörden und Polizei stattfand, auch nach Ansicht des Künstlers wohl hätte verhindert werden müssen und können.  -  Dies alles nur als kleine Auswahl der krasssen, doch durchaus bedenkenswerten Attacken des "J'ACCUSE!" von Wolfgarten.



Uns reicht es jetzt denn doch. Ohne noch das monströse Holztrum der Herren des Waldes zu ersteigen, zieht es uns auf der raschesten Abkürzung zurück zum geparkten Automobil. Tschüß unsichtbares Tönnishäuschen. Denn es lockt im Tal das "KunstForumEifel" mit seiner aktuellen Ausstellung in wohligem Mainstream.

Montag, 12. August 2013

Vennbahn Radweg

Der Weg zum Tunneleingang: dort ist Sense

Alter Eisenbahntunnel zwischen Belgien (Lengeler) und Luxemburg

Kristina muss wohl eine super flotte Maus sein. Sie konnte es kaum erwarten und ist schonmal vorgeradelt. Auf der Vennbahn-Radroute. Und hat Dinge dabei erlebt, die uns normal-Radlern versagt bleiben.
Das ist schön für Kristina Hendrickx; aber eigentlich etwas peinlich für das "Eifel Radmagazin 2013". Denn wenn es sich bei Frau Hendrickx nicht um eine Fledermaus handelt, sind ihre dort abgedruckten Schilderungen der Vennbahn-Radtour bloß erträumt.
Sie durchfährt bei diesem Ausflug nämlich den alten Lengeler Eisenbahntunnel. Und nutzt dabei den vollen Schwung aus, den ihr der vorhergehende fünf Kilometer lange Anstieg verschafft. Hat dann aber wohl das Schild übersehen, dass dieses Highlight der Tour dem Radweg dauerhaft versperrt bleibt - wegen tiefhängender Fledermäuse. Wenn Kristina Hendrickx dieses nach höchsten EU-Bestimmungen geschützte 800m lange Biotop mit dem Rad passieren wollte, dann bräuchte sie eine starke Lampe (+ ebenso starke Nerven), wasserdichte Schuhe und müsste den Drahtesel durch die steinige Nässe schleppen, am Ende des Tunnels steile Böschungen hinan klabastern und könnte sich dann - Willkommen im Grünherzogtum Luxembourg - genüsslich dem Rest ihrer Radelei nach Troisvierges widmen.

"Meine Faszination wird erst unterbrochen durch die Zielankunft", schreibt Kristina Hendrickx so treffend. Wie hätte sie auch merken sollen, dass einem kurz vor dieser Katharsis schier die Puste ausgeht angesichts der finalen Steilstrecke kurz vor Erreichen des gastlichen Dreimädelstädtchens - nach so einem phantantastischen Tunnelblick ... einfach beneidenswert!

Soviel also zum smarten Fortbewegungsverhalten von Kristina Hendrickx.

Einiges mehr wäre hingegen noch zu bemerken über die zugrundeliegende Fehlplanung.
Offenbar hat man das nunmehr nutzlose Radweg-Teilstück zum dauergesperrten Tunnel in der festen Erwartung asphaltiert, dass sich schlussendlich doch eine Passage erreichen ließe. Zumindest auf belgischer Seite. Im luxemburgischen Hoheitsbereich hat man dies offenbar garnicht erst angestrebt, sondern gleich auf die - für Bahnweg-Radler mühevolle - Umfahrung des Casus knaxus gesetzt. Das Muskelspiel der Naturschutzfrisöre muss also enorme Wirkung erzielt haben.

Verständlich, da sich die Evolution der Fledermäuse schließlich nur aufgrund des reichlichen Vorhandenseins von stillgelegten Eisenbahntunneln vollziehen konnte. Ihre Ahnen, die urzeitlichen Paraglider, waren aufgrund ihrer Riesenspannweite logischerweise kaum fähig,  in solch engen Röhren abzuhängen. So entwickelten sich quasi zwangsläufig diese lästigen kleinen Kacker mit der Autopilotfunktion. Voll rätselhaft bleibt für die Wissenschaft allerdings, welche abenteuerliche Überlebensstrategie die blinden GPS-Ratten während  des Eisenbahnzeitalters eingeschlagen haben. Vielleicht konnten sie sich blitzschnell anpassen und tauchen heute deshalb so selten auf, weil ihnen die Ausdünstungen der guten alten Dampflocks fehlen. Halt bloß mal so'n Denkansatz ...