Mittwoch, 5. September 2012

Eifel-Tour mit viel See-Erlebnis (3)

Das Schöne liegt meist im Einfachen - irgendeine Talaue

- an der Rurtalsperre entlang


Unsere anregende Tagestour verläuft weiter entlang des südlichen Urftsee-Ufers. Der Weg ist allen Ausbuchtungen der für eine Mittelgebirgslandschaft typischen Talsperrenanlagen angepasst. Daher auch ziemlich weit. Beschattete Partien wechseln ab mit stärker der Sonne ausgesetzten. Zur immer noch frühen Tageszeit allerdings kein Problem. Die gute Fernsicht entschädigt für schweißtreibende Einstrahlungen. Eine Bank in prallem Licht lockt zu Rast und Landschaftsbeschau, doch nicht mit uns.
Man sollte endlich etwas flotter vorankommen, denn es nähert sich ein aufregendes Zwischenziel: die Staumauer. Früh dort ankommen, wäre ganz angenehm, denn da herrscht oft an schönen Wochenenden ein gemäßigtes Remmidemmi am Ausflugslokal. Ach ja, was daran Besonderes sein soll? Das merkt man am eindrücklichsten direkt auf der Staumauer. Der Ablauf der Urftsperre fließt unmittelbar in die angrenzende Rurtalsperre. Deshalb befindet man sich an dieser Stelle genau zwischen zwei Seen, die ein ziemlich unterschiedliches Niveau aufweisen. Wer leicht zu Schwindelgefühlen neigt, dem wird beim Blick in den tief unten gelegenen Ausläufer des Rursees schonmal ein kleinwenig blümerant, und das Beschreiten der Mauerkrone gerät zur Mutprobe.
Als wir dort ankommen, haben sich erfreulicherweise noch keine größeren Menschenmassen eingefunden. Wir lieben diese beschauliche Stimmung, scannen aber nur mal schnell das Panorama ab und sind zufrieden mit der Welt. Nur ein alter Zausel flitzt auf seinem Pedelec auf dem Damm bis zum Ende und zurück ('Radfahren verboten'). Er wird zum Mittagsbraten wieder daheim einrollen und seiner Restfamilie einen ausführlichen Bericht über die morgendliche Ausfahrt erstatten. Muttern gefällt das: Bewegung regt den Appetit an.
Unser Radweg verliert ab hier merklich an Komfort, biegt halblinks ein und verläuft etwas abschüssig. Schließlich soll es an der Rur weitergehen, somit müssen wir hinunter auf die tiefer gelegene Seehöhe. Immer leicht die Bremse im Anschlag, damit es nicht allzu rapide vorangeht und das angenehme Hinabrollen durch den dichten Hochwald noch etwas in die Länge gezogen werden kann.
Am Ende dieser Abfahrt erreichen wir das nächste Ufer, können hier auf ebener Strecke direkt am See radeln und den Blick dabei genüsslich schweifen lassen. Die Sonne schickt ihre Strahlen durch die Baumkronen, Ausflugsboote gleiten vorbei, Wasservögel lassen sich kaum in ihren Aktivitäten stören. Die Zahl der entgegenkommenden Radler und Wandersleut' nimmt merklich zu. Bald erreicht man nämlich eine etwas belebtere Stelle, die von den meisten als Einstieg in die Landschaft benutzt wird: den Fremdenverkehrsort Rurberg.

Da müssen wir nicht hin, aber man könnte kurz über einen Damm, der den sogenannten Obersee von der eigentlichen Rurtalsperre trennt, um die Gelegenheit zu einer kleinen Einkehr beim Schopfe zu packen. Wir haben andere Ziele und halten uns eisern an die bewährte Uferseite, indem wir hart rechts einbiegen; es wird jetzt eng. Zur Rechten ragt plötzlich ein schroff ansteigender Hang, der aber im Unterschied zum Urftweg wunderschön bewaldet ist - und erfreulicherweise weiterhin Schatten spendet. Solche naturnah bewachsenen Steilhänge sind eine Rarität in unserem Lande. Immer wieder möchte man den Blick aufwärts richten und die Zähigkeit der Bäume bewundern, die sich mit ihrem Wurzelwerk in den Felsspalten festkrallen; wenn ihr Wachstum auch durch den Mangel an Nahrhaftem und Feuchte stark gedämpft wird, so wirken sie andererseits wahrhaft vital und widerstandsfähig.
Auch die gegenüberliegende Seeseite zieht unsere Obacht auf sich: am Ufer, im Wasser herrscht lebhaftes Treiben: Segeln, Surfen, Freibadgetümmel - vor dem Hintergrund der Wälder-Wiesen-Hügel-Kulisse.
Endlos geht es leider nicht so weiter: extrem angenehm, locker und leicht. Bald versperrt eine ausgreifende Talmulde den lauschigen Uferweg. Diese zu umfahren haben sich die Streckenplaner eine langgezogene Steigung ausgedacht. Nicht besonders steil, geht aber allmählich doch in die Beine, wenn man sie ohne Absteigen bewältigen möchte. Bei einer Holzbrücke mit dem schönen Namen "Vorsicht Rutschgefahr" passieren wir den Wendepunkt, in der trügerischen Hoffnung, mindestens die Hälfte des Anstiegs geschafft zu haben. Es überholen uns sodann eine junge Familie mit Teenietochter - und der alte Pedeleczausel von der Staumauer steht ebenfalls noch voll im Safte seines aufgeladenen Akkus. Wusch wusch vorbei.
Mutter und Töchterlein haben sich aber wohl, vom sportiven Astralvater angespornt, etwas überschätzt und verlegen sich für die letzten hundert Meter aufs Schieben. Unser langer ruhiger Atem pfeift beim Weiterpedalieren zwar aus den letzten Löchern, doch mit der Kraft der zwei Herzen holen wir die beiden Damen noch ein. Scheinbar gnadenlos zeichnet der Forstweg vor unseren Augen seinen unendlichen Anstieg ins Gelände. Aber unverhofft taucht  ein etwas verschämtes Wegweiserlein auf und zeigt - juhuuh - nach links in Richtung eines abschüssigen Pättchens. Die Erlösung!
Es folgt eine ebenso lange, entspannte Abfahrt, die letzlich wieder zum Seeufer führt. Man durchrollt einige bemerkenswert prachtvolle Hochwaldbestände des Kermeter, an denen wir sich kaum satt sehen können. Wer mag sich wohl - angesichts der mächtigen Buchen und des durch die glatten, grauschimmernden Stämme blitzenden Seespiegels - des Gedankens erwehren: Deutschland ist echt schön! Und alles gratis...
Dann erreichen wir den Wanderparkplatz an der Staumauer Schwammenauel, die erste Autostraße seit Gemünd; nun geht es nach Heimbach hinunter. Eine weitere Stufe abwärts zum nächsten See-Panorama. Dazu kann man die Straße bis zum Parkplatz Seehof nehmen und sich dann rechts auf einem abenteuerlichen Wanderweg über Stock und Stein in die Tiefe stürzen, wodurch man schließlich an einem neuzeitlichen Wasserkraftwerk herauskommt. Hals- und Beinbruch, dieser Kick ist eigentlich ein Muss. Das wäre auch aktuell die landschaftlich reizvollere Variante, aber: nein, danke - und tschüss. Wir überlassen uns nämlich weiter einfach dem ausgewiesenen Radweg, queren nichtsahnend die Straße - und sind völlig entsetzt.

Der einst beschauliche Wiesenhang oberhalb Heimbach hat sich momentan in eine überdimensionale Baustelle verwandelt. Nach holländischer Art zieht man hier ein komplettes Feriendorf hoch, das augenscheinlich keine Wünsche offen lassen wird. -Zig putzige Fachwerkhäuschen, in deren Mitte ein Komplex von Geschäftsgebäuden entsteht, werden aus dem unbescholtenen Boden gestampft. Eine Location, die Kegelclubs und verwandte Zusammenrottungen einlädt, sich in ihren Mauern die Birne volllaufen zu lassen - und vorher vielleicht mal kurz zum See zu trotten. Man hätte den Heimbachern solch eine Bausünde im Leben nicht zugetraut, die immerhin recht viel auf die Entwicklung ihrer Hochkultur zählen und stolz auf die Lage im Nationalpark und das im Ort befindliche Infozentrum sind. Da muss wohl jemand ein Angebot gemacht haben, das man nicht ausschlagen kann...

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